3 Tage re:publica - 3 Tage voller staunen

Dieses Jahr war ich das erste Jahr auf der re:publica. Ich wusste gar nicht so genau, was mich erwartet. Mein Ziel war es abseits der üblichen TYPO3 und Neos Events den Blick zu erweitern, wohin sich das Netz entwickelt und welche neuen Möglichkeiten sich ergeben.

Ihre Probleme möchte er haben

Fabian Stein
Fabian beschäftigt sich mit der Digitalisierung in Deutschland und der Entwicklung des Open Source Marktes als CEO von punkt.de.
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Wichtig war mir dabei, dass es nicht nur um neue Geschäftsbereiche oder neue Tätigkeitsfelder für mich ging, sondern in erster Linie wirklich um die Frage: Was bedeutet dieses Internet für unsere Gesellschaft und was sind die Herausforderungen der nächsten Jahre? 

Dieses Interesse teilten zum Glück noch ein paar Kollegen und so machten sich Daniel Lienert, Jürgen Egeling und Florian Franke von unserer Partneragentur made in auf den Weg nach Berlin.  

Mit diesen Ansprüchen wurde ich auf keinen Fall enttäuscht. Die Berichterstattung rund um die re:publica ist ja zunehmend zwiegespalten. Die einen bezeichnen es als „Klassentreffen einer medialen Elite“ die den Blick auf die Gesellschaft zunehmend verliert. Die anderen feiern genau dieses Klassentreffen als wegweisend für die mediale Wirklichkeit in Deutschland. 

Nach meiner ersten re:publica kann ich beide Darstellungen verstehen und bin der festen Überzeugung, dass beide deutlich zu kurz greifen. Auch der halb vorwurfsvolle Tweet aus tausenden von Smartphones: „Die wichtigsten Gespräche finden ja doch nur im Hof statt“ kann ich nicht nachvollziehen. Sowie jedes gute Gespräch auf einer Party in der Küche stattfindet so ist nun mal jedes wichtige Gespräch einer Konferenz zwischen Menschen auf dem Hof. Egal, ob das nun eine Management- eine Technologien- oder eben eine Medienkonferenz ist.  

Aber was war inhaltlich mitzunehmen? Nun zunächst die Erkenntnis wenn man etwas über die großen Themen wie Twitter, Snapchat oder virales Marketing lernen wollte, lohnt es sich schon einen Talk früher anzustehen. Leider bin ich in einige Vorträge, die ich gerne gesehen hätte, nicht herein gekommen. 

Bild des Raumes der re:publica

Tag 1.

Dieser begann gleich mit den TTIP Enthüllungen, die ich leider nicht mehr rechtzeitig erreichen konnte. Der erste wirklich gute Vortrag den ich dann aber sehen konnte, war der Vortrag von Kati Krause (@katikrause) über digitale Magazine und Slow Media. Gerade Ihr Aufruf, auch mal den Mut zu haben weniger zu sagen und darauf zu achten nur Markenrelevanten Content zu produzieren. Also Content der die eigene Markenbotschaft unterstützt. Dies hat mich dazu ermutigt auch das Content Konzept für unseren Firmeneigenen Blog noch etwas leaner zu gestalten.  

Wie auf jeder Konferenz gab es auch leider nicht so gute Vorträge, ob nun Radio in Bewegung oder der Vortrag der Deutschen Bahn zum Thema Mobility re:loaded. Einige gerade eher  große Marken konnten der Möglichkeit zur Werbung auf der Bühne nicht widerstehen und stellten plump Ihre Produkte oder Prozesse vor, ohne Insides zu gewähren oder Problemstellungen darzulegen auf welche Sie im Laufe der Arbeit gestoßen sind. Gerade die großen Konzerne oder Behörden sagten immer wieder Sätze wie: „Social Media ist einfach außer man ist eine Behörde“ oder „schnell und agil ist einfach außer man ist die Bahn“. Ich weiß in solchen Momenten immer nicht, ob ich jetzt Mitleid haben soll oder ob sie sich feiern wollen, dass sie es trotzdem „schaffen“ auf Facebook zu sein.  

Eine weitere Dame auf der Bühne die mich schwer beeindruckt hatte war Kate Crawford (@katecrawford) die über den digitalen Terrorist Score sprach. Das war für mich der erste Moment auf der re:publica, der mich aufhorchen ließ. Hier scheint es um mehr zu gehen, als den neuesten heißen Scheiß im Netz und um die Frage, wie ich meine Reichweite erhöhe oder mein Zielpublikum finden kann. Hier geht es um uns. Um Gesellschaft und um die Frage welche Rolle digitale Wirklichkeiten hier spielen.

Frau Crawford sprach natürlich von den offensichtlichen Informationen welche gesammelt und gelagert werden. Aber sie sprach eben auch von den etwas weniger offensichtlichen und der großen Frage, wie wir immer bequemere und intelligentere Dienste für uns schaffen, ohne den Regierungen dieser Welt die Möglichkeit zu geben immer einfacher unsere Meinung zu beeinflussen und zu gestalten. 

Die re:publica fand wie die letzten Jahre in der Station Berlin statt.

Den Abschluss des ersten Tages machte die obligatorische Rede von Sascha Lobo. Auch dies war eine Premiere für mich. Natürlich kannte ich ihn von verschiedenen Plattformen: Elektrischer Reporter, Spiegel, etc. - hatte ihn aber noch nie live gesehen. Der Vortrag war interessant. Gerade den ersten Teil fand ich überraschend sachlich und spannend. Die letzten 15 - 20 Min waren dann wieder so überzogen, dass sie das Gesamtbild etwas zerstört haben. Übrig blieb ein interessanter aber keineswegs überragender Vortrag zum Thema warum alles doof ist, wir aber trotzdem weiter kämpfen sollen um es besser zu machen. Soweit gehe ich mit ;)  

Tag 2.

Der zweite Tag begann mit meinem heiß erwarteten Vortrag der @heuteplus Moderatoren. Ich oute mich jetzt hier mal als absoluter @heuteplus Fan Boy. Die Qualität der Vortrages und der Moderation war allein wirklich sehr weit vorne. Auch die Frage, wie denn eine solche permanente Aufmerksamkeit und Kritik zu händeln wäre, wurde wirklich persönlich und ehrlich dargebracht. Seit diesem Panel folge ich auch auf Periscope und muss feststellen das mir viele Anwendungsfälle gerade in unseren Communities einfallen bei welchen Periscope echt helfen würde.  

Um gleich bei meinem Lob auf den Auftritt der Journalisten, gerade von den Öffentlich Rechtlichen zu bleiben, gab es in großartiges Panel zum Projekt junger Kanal. Eine Zusammenarbeit von ARD und ZDF die gemeinsam versuchen online Inhalte für die Zielgruppe von 14 - 29 zu gestalten. Hier wurden interessante Informationen gegeben. Egal ob die Frage, welche Gremien für einen solchen Prozess eingebunden werden müssten bis zu der unbequemen Frage warum „schon wieder“ drei weiße Herren auf der Bühne sitzen und „wie es mit der Diversität in dem Programm aussieht“ wurden gute Antworten gegeben. Wir sind gespannt ob jetzt auch geliefert wird. Losgehen soll das ganze ab Oktober.  

Das absolute Dauerthema auf der Konferenz war Snapchat. Der neue Messenger Dienst. Ich gebe zu ich hatte mich bis dato mit dem Format gar nicht beschäftigt ich bin aber auch von der ganzen Thematik nach der Konferenz eher angestrengt. Aber zum Thema Snapchat im Umfeld der neuen Medien lohnt es sich mit Sicherheit nochmal einen eigenen Artikel zu schreiben.

Überraschen informativ und witzig war der Vortrag von Frauke Langguth (@frala) die Chefin des ARD Video Texts ist. Ein Medium von dem Zugegebener Maßen auch ich gedacht hätte, dass es lange tot ist. Aber die Zahlen von 4 Mio. Lesern täglich sprechen da eine deutlich andere Sprache. Interessant war hierbei auch welche Möglichkeiten der Teletext bietet, die ich nie erahnt hätte. Inklusive einer Twitter Integration auf Seite 777 im ARD Teletext.  

Ein schöner Tweet zu dem Thema kam von Jean-Üw Fitz (@vergraemer) der schrieb: „Irgendwann tut's 'nen Riesenschlag und nur der Videotext und Kakerlaken bleiben übrig.“

Mehr aus Zufall und aus Bequemlichkeit blieb ich sitzen und wurde total mitgerissen von der Geschichte eines Studenten, der in der Vorlesung seines Dozenten einen Heiratsantrag machen wollte. Dies aber scheiterte und die Frau leider weg war bevor es soweit kommen konnte. Vorgetragen wurde das Ganze von Bernhard Pörksen Professor für Medienwissenschaften in Tübingen der mich kurz überlegen ließ, ob ich nicht noch irgendwas in Tübingen im Bereich Medien studieren wollen würde, wenn ich dabei so gute Vorlesungen über die Macht von Geschichten hören würde.  

Mein krönender Abschluss des Tages war das digitale Quartett. Nach 5 Min wollte ich wegen chronischer Albernheit eigentlich nur fliehen und mir endlich ein Bier holen, aber nach dem ersten Gast hatte ich dann auch das Format verstanden. Wenn das Vorgehen, die Gäste erraten zu müssen noch aus dem Format gestrichen oder doch zumindest gekürzt werden würde, wundert mich warum dies nicht auf einem linearen Kanal ausgestrahlt wird. Sowohl Gastgeber als auch Gäste scheuten sich nicht vor spontanen und unangenehmen Fragen aber auch Antworten. Egal ob Rowan Barnett (@rowbar) von Twitter oder die Herausgeber des Magazins Schluck alle Personen waren interessant und gaben spannende Interviews zu Ihrer Arbeit.  

Tag 3.

Am letzten Tag konnte ich dann nur noch einen sehr erwähnenswerten Vortrag gehört vom Land Baden Württemberg zu Ihrer Kampagne „Wir können alles außer Hochdeutsch“.

Sowohl die Vortragenden als auch die Kampagne selbst zeigten interessante Einblicke sowie die Erkenntnis, das manchmal zu einer Kampagne auch einfach ein Funken Glück gehört.  

Mit diesem Vortrag musste ich mich leider schon wieder on der re:publica verabschieden. Jetzt sitze ich im ICE zurück nach Frankfurt und fühle mich der großen deutschen Netzgemeinde ein Stückchen näher. Meine Erkenntnis von dieser re:publica: Die Probleme vor denen wir stehen sind auf vielen Ebenen die gleichen die auch in allen anderen Bereichen der Gesellschaft vor uns liegen. Dank meiner Frau welche Förderschullehrerin ist bekomme ich einen Einblick in die Probleme der Bildungspolitik. Bis dato habe ich mich immer so ein wenig dahinter versteckt, dass Sie ja Einfluss auf die Entwicklung der Kinder hat und ich mich nur mit diesem Internet beschäftige. Nach der re:publica habe ich aber verstanden, dass es auch und gerade an uns Medien Menschen liegt die Wahrnehmung und die somit die Wirklichkeit der Gesellschaft zu beeinflussen. egal ob durch technische Lösungen wie Verschlüsselung und anderen Anonymisierungsdiensten, oder aber durch die Berichterstattung und das Vorleben von Inklusion, Diversität und Toleranz.  

Und ist dies nicht alleine 3 Tage voller Staunen wert. Vielen dank an die „Klasse“ dass sie mich mitgenommen hat. Ich freue mich auf das nächste Jahr.   

P.S: Vielen Dank an Daniel Lienert (@dlienert) für die tollen Bilder.

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