China Teil 2 - Jinan Universität

Jade, die nicht bearbeitet wird, wird nicht zum Gefäß; Menschen, die nicht lernen, erkennen die Vernunft nicht. - Chinesisches Sprichwort

Lesedauer: ca. 3 Minuten

Ich lebe nun schon seit fast zwei Monaten an der Jinan Universität in China und lege mein 5. Semester als Auslandssemester ab. Die Jinan Universität ist einer der angesehensten und besten Universitäten in der Region. Für viele Schüler der chinesischen High Schools ist die Aufnahme in die Jinan Universität der krönende Abschluss einer der wohl schwierigsten Schulausbildungungen der Welt. Doch was erwartet sie dann? Und wie bewerte ich als europäischer Student das Studium an einer chinesischen Hochschule?

Zunächst möchte ich aber von den zwei größten Campus der Universität und ihren Unterschieden berichten.

Wer den ersten Beitrag gerne noch lesen möchte: 

Auslandssemester eines DHBW-Studenten

Main Campus

Die Jinan Universität besitzt insgesamt vier Campus. Davon befinden sich drei in Guangzhou und ein weiterer ein Shenzhen. Der größte und wichtigste Campus, ist der Main Campus im Tianhe Distrikt im Zentrum Guangzhous. Auf ihm befindet sich neben 20 Studentenwohnheimen, Wohnungen für die "Normalbevölkerung", dem Universitätskrankenhaus, diversen Colleges und Unterrichtsgebäuden, auch eine der größten Universitätsbiblitotheken Chinas, Sporteinrichtungen, Restaurants und Läden, sowie die der Universität zugehörige Primary und High School. Auf diesem Campus ist es eng und gedrängt. Kleine Straßen und Gassen ziehen sich wie ein Labyrinth durch das gesamte Gelände. Bis spät in die Nacht ist dieses Wirwarr gefüllt mit Studenten, Familien und anderen Anwohnern, die sich die Zeit mit diversen Sportaktivitäten vertreiben, es sich in einem der vielen Restaurants gut gehen lassen oder einfach nur in einem der Parks des Campus entspannen. All dies verleiht dem Main Campus einen charmanten Flair und eröffnet die Möglichkeit einen Querschnitt der chinesischen Gesellschaft "beim Leben" zuzusehen.

Ich hätte mir gewünscht während meiner Zeit in China am Main Campus zu leben. Dies war mir jedoch auf Grund einer Neustrukturierung der Unterkunft der Undergraduate Studenten verwehrt und ich musste mich mit einem Zimmer im 12. Stock eines Studentenwohnheims auf dem Süd-Campus zufrieden geben.

South Campus

Der Süd-Campus ist das exakte Gegenteil des Main Campus. Er liegt im Panyu Distrikt, einem Distrikt im Süden Guangzhous, etwa 30 Autominuten vom Main Campus entfernt, weit außerhalb des Zentrums der Stadt. Er wurde er im Jahr 2012 eröffnet und ist damit der jüngste Campus der Jinan Universität. Das Areal ist jedoch deutlich größer als das Areal des Main Campus; bebaut ist der geringste Teil. Anstatt eines gedrängten Miteinanders gibt es daher sehr viel Platz. Der Süd-Campus besitzt, wie auch der Main Campus, eine recht große Bibliothek, einige Stundentenwohnheime, Sporteinrichtungen, einen Supermarkt und eine Handvoll Schnellimbisse. Richtige Restaurants, Wohnungen für "Nichtstudenten" oder andere Schulen sind hier nicht zu finden. Auf Grund des Alters und der, im Vergleich, geringen Einwohnerdichte fühlen sich die meisten Gebäude und Parks noch sehr steril und leer an.

Unterricht an der Jinan

Als eine der wenigen Universitäten in China, verfügt die Jinan Universität über eine internationale Schule in der auf Englisch unterrichtet wird. Die Englischkenntnisse der Professoren unterscheiden sich von Dozent zu Dozent drastisch. Ich habe Dozenten die Vorlesungen in perfektem Englisch halten, genauso gab es aber auch das Gegenteil, Dozenten die nur in gebrochenem Englisch die Vorlesung halten und des Öfteren ins Chinesische abdrifteten. Alle waren sehr freundlich und hilfsbereit und helfen bei Fragen und Eigeninteresse zu weiterführenden Themen sehr gerne weiter. Ich belege eine Reihe von Kursen aus dem 3. und 4. Studienjahr, von reinen Informatik-Kursen bis hin zu Recht und Projektmanagement aus dem Wirtschaftsbereich.

Die Vorlesungen werden trotz kleiner Kursgrößen sehr frontal gehalten. Interaktion mit den, zu meinem Bedauern, sehr uninteressierten Studierenden findet während der Vorlesung kaum statt. In allen Vorlesungen werden Handys geduldet und von allen Studenten dauerhaft genutzt. Diese allgemeine Uninterressiertheit war erschreckend und nicht mit den Erfahrungen an der DHBW zu vergleichen. Der Schwierigkeitsgrad des gelehrte Unterrichtsstoff variieirte je nach Dozent und Fach von mittel bis sehr anspruchsvoll, ist aber vergleichbar mit den gelehrten Inhalten in Deutschland. Im Unterschied zu meiner deutschen Hochschule, geben alle Dozenten jede Woche Hausaufgaben. Diese sind sehr umfangreich und erhöhen die Arbeitslast deutlich. Dazu kommen etliche "final projects" die ich während der Klausurphase nebenbei bearbeiten musste.

Weitere Dinge die mir im Unterricht aufgefallen sind:

  • Sehr freundschaftlicher Umgang zwischen Dozenten und Studierenden

  • Dinge werden aus Chinesische Perspektive unterrichtet (WTO & Law). Das führte zu interessanten Diskussionen über verschiedenste Problematiken des freien Handels, den mittlerweile auch China zu spüren bekommt

  • Abgabetermine dürfen(!) eingehalten werden


Rückblickend betrachtet war das Studium an einer chinesischen Universität eine sehr interessante Erfahrung. Ich konnte alle meine Vorurteile auf ihre Korrektheit prüfen und musste feststellen, dass mich die Jinan Universität durchaus positiv überrascht hat. Doch gibt es auch viele Dinge, wie die demotivierende Lernumgebung oder die veralteten Lernmethoden und Ausstattung, auf Grund deren ich mich freue bald wieder an einer deutschen Universität studieren zu dürfen.

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Christiane Helmchen, Entwicklung bei punkt.de
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